Zentrale Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Darsberg | |
Stadt Neckarsteinach | |
Zentrale Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Darsberg
Dieses Jahr fand die zentrale Feierstunde zum Volkstrauertag auf dem Friedhof in Darsberg statt. Vorher wurde den Opfern der Kriege zur Ehre jeweils ein Kranz an den Ehrenmählern in Neckarsteinach, Grein und Neckarhausen niedergelegt. Der Evangelische Bläserchor führte musikalisch ein. Nach dem Liedbeitrag „Herr, wir bitten komm und segne uns“, feierlich dargeboten durch den Projektchor Darsberg, begrüßte der Ortsvorsteher Ralf Edelmann neben dem Stadtverordnetenvorsteher Ralf Kern zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die Feuerwehren aus allen Stadtteilen, Vertreter der städtischen Gremien und der Ortsbeiräte wie auch von Vereinen auf dem Darsberger Friedhof zur zentralen Gedenkveranstaltung. Der Volkstrauertag erinnert an Leid und Krieg und gedenkt der Opfer. „Uns alle fordert der Volkstrauertag auf, uns für den Frieden einzusetzen“ war das zentrale Motiv der diesjährigen zentralen Gedenkfeier. Um dieses Motiv zu verdeutlichen wurden einzelne Filmsequenzen aus dem Film „Im Westen nichts Neues“ gezeigt. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque, das die Schrecken des Ersten Weltkrieges aus der Sicht eines jungen Soldaten schildert. Die einzelnen Ausschnitte bildeten die Grundlage für die daran schließenden Redebeiträge, lokales Bezugsreferat, weltlicher und geistlicher Impulsvortrag. Die erste Filmsequenz zeigt die Hauptfigur des Romans, Paul Bäumer, in einem Schützengraben an der Front. Sein Gesicht wird in Nahaufnahme eingeblendet. Im Hintergrund hört man die Geräusche des Kriegs. Paul Bäumer erzählt, wie er mit seinem Freunden an die Front gekommen ist. Hintereinander werden die Gesichter von jungen Männern gezeigt, die mit ihm im Schützengraben sind. Von ihren Namen, ihren Hoffnungen, ihren Wünschen und Plänen erzählt Paul. Am Schluss der Sequenz schwenkt die Kamera auf das Schlachtfeld hinter den Gräben. „Wir sind heute auf dem Friedhof in Darsberg zusammengekommen, um der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege zu gedenken. Zugleich gilt unsere Trauer aber auch all jenen, die Terror, Rassenideologie, Vertreibung und Gewaltherrschaft jener Tage zum Opfer gefallen sind“, begann der Ortsvorsteher seine Hinführung mit lokalem Bezug. Gerade das Jahr 2014 bot laut Ralf Edelmann, in Anbetracht seiner historischen Dimension 100 Jahre seit Beginn Erster Weltkrieg, 25 Jahre Deutsche Einheit, aber auch die Wahlen zum Europa Parlament gleich mehrere Denkansätze, sich dieser unserer Vergangenheit zu stellen. Das Werk von Erich Maria Remarque „Im Westen nichts Neues“ verkörpere wie kein anderes das Grauen, aber auch die ideologische Verblendung, die mit einer kriegerischen Auseinandersetzung wie dem Ersten Weltkrieg untrennbar verbunden sind. „Ein Volk trauert, Neckarsteinach trauert, Darsberg trauert, eine Familie trauert. Trauer beinhalte als Kernaussage immer den Aspekt der persönlichen Betroffenheit. Nur wer das in direktem Zusammenhang mit der Trauer stehende Leid kenne bzw. nachempfinden könne, nur der sei zu wahrer Trauer fähig. Ralf Edelmann führte weiter aus: „Können wir, die wir von den Schrecken des letzten Krieges verschont geblieben sind, uns überhaupt des Schmerzes vergegenwärtigen, welcher mit der Nachricht verbunden ist, dass ein Ehemann, ein Vater, ein Bruder dem Kriegsgeschehen zum Opfer gefallen ist? Welche Tragik und welches Leid ist mit dem Tatbestand verbunden, dass eine Familie gegründet, ein Haus gebaut, aber die gemeinsame Lebensplanung verwehrt wurde, dass das einzige Kind gefallen und somit der Fortbestand der Familie nicht mehr gewährleistet ist, dass eine Familie mit einem, zwei, ja mit bis zu fünf Kindern ohne soziale Absicherung den einzigen Ernährer verloren hat. Hiermit sind unweigerlich aber auch Fragen an uns alle verbunden: Welche Rolle kam der Frau in der damaligen Zeit zu, die bereits in jungen Jahren Witwe wurde und für das wirtschaftliche, aber auch soziale Überleben der Familie fortan alleine einstehen musste? Welcher Belastung muss das soziale Gefüge einer kleinen Gemeinde wie Darsberg in Anbetracht der vielen Opfer in ihrer Gesamtheit ausgesetzt gewesen sein? Und – wären wir selbst mit all den sozialen Errungenschaften der heutigen Zeit überhaupt noch in der Lage, dies alles gemeinsam zu bewältigen? Schicksale und Fragen, die uns das Leid und den Schrecken der beiden Weltkriege bezogen auf Darsberg vergegenwärtigen und mit Herz aber auch Verstand für uns alle nachempfindbar und erlebbar machen. Nur wenn es uns vor Ort wie überall in der Welt gelingt, aufbauend auf den Erfahrungen der Vergangenheit und des konkreten Leides des Einzelfalles, Vergleichbares für alle Zukunft auszuschließen, nur dann waren das Leid und die Opfer der Vergangenheit auch in Neckarsteinach als auch der Stadtteile nicht vergebens. Und nur dann behält eine Veranstaltung wie die heutige auch in Zukunft, wenn keiner der direkt Betroffenen noch unter uns weilen wird, ihre Berechtigung wie auch ihre immer gültige Aktualität. Eine Familie trauert, Darsberg trauert, Neckarsteinach trauert, ein Volk trauert. In letzter Konsequenz muss jedoch als Ergebnis der schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit die Erkenntnis stehen: Wir sind das Volk! Ein friedliches Miteinander aller Menschen, Rassen, Religionen und Nationen liegt in unser aller Denken und Handeln begründet. Jeder Einzelne von uns ist gefordert, für eine bessere, friedlichere und in jeglicher Hinsicht humanere Welt einzutreten, und sei es nur im täglichen Miteinander einer vergleichsweise kleinen Gemeinde wie Neckarsteinach, aber auch im Stadtgebiet insgesamt. Erinnern wir uns der Vergangenheit, damit auch wir mit Tatkraft und Zuversicht die Zukunft für uns selbst als auch für kommende Generationen gewinnen können. Das Gebot der historischen Nachhaltigkeit als auch die Vergänglichkeit des Erfahrungsschatzes verpflichtet uns dazu. Möge der Friede der letzten nahezu 70 Jahre uns allen auch in Zukunft erhalten bleiben!“ Das nächste Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ fügt sich an die Rede an und nimmt den Aspekt der Zuversicht aus der Rede auf. Der zweite Filmausschnitt: Paul Bäumer sitzt neben einem französischen Soldaten, den er getötet hat. Paul spricht mit dem Toten. Er entschuldigt sich dafür, dass er töten musste. Er hatte keine andere Wahl. Wollte er selbst leben, musste er töten. Ebenso wie auch der Franzose. Paul will der Familie des Toten schreiben. Er zieht eine Brieftasche aus der Jacke des Franzosen. Bei öffnen fällt ein Bild heraus. Eine Frau und ein Kind sind zu sehen. Paul sucht weiter in der Brieftasche und liest den Namen des Toten vor: Gerard Duval. Paul hatte Gerard Duval getötet. Das Gefecht geht weiter. Paul nimmt seine Waffe und macht sich bereit, um weiter zu kämpfen. Nach einem weiteren Filmausschnitt berichtete Bürgermeister Herold Pfeifer von seinem Besuch am 7. September 2014 anlässlich der Feierlichkeiten zum Beginn des Ersten Weltkrieges in der Partnerstadt Pargny-sur-Saulx, bei dem eine Gedenktafel mit folgendem Text enthüllt worden sei: „Am Sonntag, den 6. September 1914: … Wir überquerten das Feld gegenüber von unserem Haus, die Kugeln regneten um uns herum, die Bomben pfiffen über unsere Köpfe. Zu dieser Zeit wurde die Bombardierung verdoppelt, die Kugeln zerstörten alles um uns herum, die Telegraphenleitungen fielen herunter, sie wurden von preußischen Kugeln zerstört, die Geschosse hagelten auf uns, weil die Preußen auf der anderen Seite des Kanals waren. Tragische Minuten, unvergesslich. Ich fragte mich, wer von uns getroffen wird? Werden wir uns gesund und heil wieder finden? Die Schlacht schien sich ein wenig zu beruhigen, da konnten wir uns endlich vorsichtig aus unserem Schutzgraben aufrichten, und dann sahen wir mit Schrecken, das tragische Schauspiel der Stadt Pargny-sur-Saulx, die brannte. Hinter unserem Haus in der Ferne stieg ein gewaltiges Feuer auf. Wir hörten den düsteren Lärm der Dächer, die einstürzten, während hohe Flammen in den glühenden Himmel stiegen. Es war unheimlich und erschreckend!“ (Auszug aus der Geschichte von Frau Josephine Appelle, Lehrerin aus Pargny-sur-Saulx) Der schreckliche Erste Weltkrieg sei der Beginn von viel großen Tragödien in Europa gewesen. Doch dieser Krieg war auch eine Chance für Frieden in Europa. Der Drucker Gerard Duval und rund 17 Millionen Menschen aus Deutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich Bulgarien, Großbritannien und dem Britischen Weltreich, Russland, Serbien, Belgien, Italien, Rumänien, Japan und den USA seien nicht umsonst gestorben. Nicht nur die Unterzeichnung des Élysée-Vertrages durch General Charles de Gaulle und Konrad Adenauer vor 51 Jahren sondern auch der Beginn der Partnerschaft zwischen zwei Städten in der Champagne und im Neckartal, welche im Jahre 1967 begann, sei Ausdruck der Versöhnung und Freundschaft. Diese Partnerschaft zwischen Pargny-sur-Saulx und Neckarsteinach werde auch heute noch getragen von vielen Freundschaften zwischen Menschen. Deshalb wünschte der Bürgermeister, dass diese Partnerschaft in einem geeinten, friedlichen Europa Bestand haben möchte. Die letzte Filmsequenz: Paul Bäumer läuft im Schützengraben an anderen Soldaten vorbei. Etwas ist anders. Die Geräusche des Krieges fehlen. Paul hört einen Vogel. Er bleibt stehen und dreht sich zu dem Vogel um, zieht Papier und Stift aus der Tasche und beginnt zu zeichnen. Ganz darin versunken richtet er sich auf. Ein Schuss ertönt. In Nahaufnahme wird gezeigt wie Pauls Hand das Papier zerknüllt und er letztendlich auf den Boden fällt. Paul fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden. Danach schloss Vikarin Jessica Ruhe ihre geistliche Ansprache an: „Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nur ein kurzer Satz in der Schlusspasssage in Erich Maria Remarques Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“, der diese Wertlosigkeit auf den Punkt bringt: Im Westen sei nichts Neues zu melden, vermerkt der Heeresbericht über den Tag im Oktober 1918 als Paul Bäumer fällt. Was ist das Leben eines Einzelnen schon wert angesichts von 17 Millionen Toten, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben in den Schützengräben und Lazaretten verloren haben? Was ist das Leben eines Einzelnen schon wert, angesichts der vielen Toten, die ihr Leben im Zweiten Weltkrieg und in allen anderen Kriegen der Welt verloren? Weit weg, so erscheinen uns manchmal diese Opfer. Weit weg vielleicht auch deshalb, weil wir hier in friedlichen Zeiten leben. Aber gerade im Moment erzählen die Berichte über Flüchtlingsströme, die Europa erreichen davon, dass noch in vielen Ländern der Welt Krieg, Gewalt und Terror herrschen. Und es mahnt uns, dass Frieden erhalten und gepflegt werden muss. Frieden ist nichts Selbstverständliches. Heute begehen wir den Volkstrauertag und gedenken der Opfer von Krieg, Gewalt und Terror in unserem eigenen Land. Die Gräber und Gedenksteine für die Opfer mahnen uns für den Frieden einzutreten. Die einzelnen Schicksale erzählen uns davon, dass jeder Tote ein Toter zu viel ist. Die Gräber und Gedenkstätten der Opfer von Krieg, Gewalt und Terror sind nicht nur Mahnmahle. Sie sind vor allem Orte, die den Toten eine Stimme geben, wo diese uns sagen, was sie gesehen, erlebt, erlitten haben – und welchen Auftrag sie uns heute erteilen. Ihr Vermächtnis heißt: Frieden! Frieden und Achtung vor dem Leben! Zieht aus dem Geschehen die richtige Lehre. Wir müssen alles Mögliche tun, damit wir und unsere Kinder nie wieder in solche Situationen kommen. Wir müssen alles Mögliche dafür tun, damit unsere Brüder und Schwestern in der gesamten Welt nie wieder Krieg, Leid, Verfolgung erleben. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass aus der trauernden Erinnerung die Entschlossenheit wächst – und das persönliche Engagement, den Frieden in uns selber, in unserem Land, in Europa und in der ganzen Welt zu bewahren und zu sichern. Ein Zitat von Martin Luther King lautet: „Die Schönheit der aufrichtigen Bruderschaft und des Friedens ist kostbarer als Diamanten oder Silber oder Gold. Keine materiellen Dinge: Kein Land, keine Rohstoffe, kein Geld rechtfertigen den Krieg zwischen Menschen, Gruppen, Völkern.“ Dieses Engagement ist es, das heute den Einsätzen unserer Soldaten für die Völkergemeinschaft Sinn verleiht: Nämlich Krieg und Terror zu beenden und den Frieden in der Welt wiederherzustellen. Viele Menschen setzen sich privat für den Frieden und für die Gerechtigkeit in der Welt ein. Jedes Jahr im Sommer treffen sich junge Menschen und arbeiten auf den Kriegsgräbern und Gedenkstätten, um die Mahnmale für den Frieden zu erhalten. Jedes Jahr gehen tausende Ehrenamtliche in die Krisengebiete dieser Welt, riskieren ihr Leben, um für den Frieden einzustehen. Jedes Jahr nehmen viele deutsche Bürger an der Aktion Sühnezeichen teil und gehen ins Ausland, um eine Verständigung zwischen den Opfern und deren Nachkommen im Nationalsozialismus und Deutschland zu erreichen. Diese Menschen stellen sich den Verbrechen des Dritten Reichs. Es gibt weiterhin viele andere Projekte, die den Frieden wahren wollen. Auch in unserem Alltag können wir einen Beitrag dazu leisten, dass der Frieden in unserem Land, in unserer Stadt oder Dorf, in unserer Nachbarschaft erhalten wird. Kleine Dinge sind es, die letztendlich den Frieden sichern. Zivilcourage, die Offenheit gegenüber Menschen aus anderen Ländern, das Eintreten für die Belange von den Armen und Schwachen in unserer Gesellschaft und letztendlich auch der Einsatz für ein friedliches Miteinander in der Straße, in dem Dorf und in der Stadt. Vergebung dann, wenn es Konflikte gab, aufeinander zugehen, wenn man sich am liebsten aus dem Weg gehen würde. Eintreten für die, die von allen anderen angegriffen werden. Sie werden in ihren Alltag viele weitere Beispiele finden, wie Sie für Frieden in ihrem Alltag eintreten können. Ich wünsche uns, dass wir die einzelnen Opfer nicht vergessen und Ihnen zur Ehre eintreten für den Frieden. Ich wünsche uns, dass der Volkstrauertag zu einem Volksfriedenstag wird.“ Ortsvorsteher Ralf Edelmann und Bürgermeister Herold Pfeifer legten nun mit musikalischer Begleitung des Evangelischen Bläserchors am Ehrenmahl einen Kranz nieder. Bevor der Evangelische Bläserchor mit einem Choral die Veranstaltung beendete, dankte Bürgermeister Pfeifer allen, die zu dieser Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages beigetragen haben. Sein besonderer Dank ging an die Abordnungen der Feuerwehren für deren feierliche Umrahmung, an den Projektchor Darsberg unter Leitung der Chorleiterin der Neuapostolischen Kirchengemeinde, Andrea Friedel sowie an alle Sängerinnen und Sänger, den Evangelischen Bläserchor unter Leitung von Klaus Thieme für die musikalische Umrahmung, den stellvertretenden Ortsvorsteher Holger Ludwig für die Technik, Vikarin Jessica Ruhe und Ortsvorsteher Ralf Edelmann für die konstruktive Vorbereitung des Volkstrauertages. Herold Pfeifer (Veröffentlicht im Mitteilungsblatt der Stadt Neckarsteinach, Ausgabe 47 vom 20. November 2014) |
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